Testament von Eheleuten mit Kindern



In der Erbpraxis hat man es überwiegend mit Familien „alten Stils“ zu tun, also mit Eheleuten und ihren gemeinsamen Kindern. Natürlich mehren sich seit Jahrzehnten die Gestaltungsformen unseres Zusammenlebens. Aber bei Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern darf man nach wie vor vom juristischen Normalfall ausgehen. Wenn wir von Eheleuten mit Kindern sprechen, meinen wir gemeinsame Kinder und ausschließlich gemeinsame Kinder. In den anderen Fällen, in denen er Kinder hat und sie Kinder hat, spricht man von Patchworkfamilien: Meine Kinder, deine Kinder, unsere Kinder in den verschiedensten Konstellationen sind ein Fall für sich. In diesem Kapitel sprechen wir also ausschließlich über Eheleute mit gemeinsamen Kindern. Was ist in solchen Familien erbrechtlich zu beachten?

 

1. gesetzliche Erbfolge

Bevor man sich über ein Testament Gedanken macht, sollte man immer erst prüfen, was sich denn der Gesetzgeber vorgestellt hat. Da stellt man mit der Familie mit Kindern fest, dass die gesetzliche Regelung gar nicht schlecht ist: Stirbt ein Elternteil, so erben der überlebende Elternteil und die Kinder. Andere Personen sind ausgeschlossen, z. B. die Geschwister des Verstorbenen.

 

Also Ehepartner und Kinder erben. Aber zu welchen Anteilen? Zunächst muss man klar festhalten, dass Ehepartner und Kinder nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Erbengemeinschaft bilden. Das ist nicht schön, kann aber gut gehen. Aber Ehepartner und Kinder haben verschiedene „Anteile“ an der Erbengemeinschaft. Wenn familienrechtlich die gesetzliche Regelung beibehalten wurde, also kein Ehevertrag geschlossen wurde, erbt der überlebende Ehepartner zu 2/4 und die Kinder teilen sich die 2. Hälfte, also bei drei Kindern je 1/6 bei fünf Kindern je 1/10 bei zwei Kindern je 1/4.

 

Wenn es Sie irritiert, dass der Ehepartner 2/4 bekommt und nicht 1/2 (was aber rechnerisch dasselbe ist), so sollten Sie wissen, dass das eine Viertel den güterrechtlichen Zugewinn ersetzen soll und das andere Viertel eine erbrechtliche Erhöhung darstellt. Da kann man auf die Idee kommen, dass das vielleicht ein bisschen wenig ist:

 

Beispiel:

Studentin Anna hat den Unternehmer Mustermann geheiratet. Sie haben eine Tochter. Das Unternehmen hat während der Ehezeit seinen Wert vervielfacht. Auch das Privatvermögen von Herrn Mustermann ist um ein Vielfaches gestiegen. Ein Zugewinnausgleich wäre also mehr, als das gesetzlich zugestandene 1/4. Anna findet es deshalb komisch, dass sie nach 40 Jahren Ehe nicht mehr bekommen soll, als die 30jährige Tochter, die mit dem Vermögenswachstum rein gar nichts zu tun hatte. Die Tochter hatte doch schon zu Lebzeiten mehr oder weniger alles bekommen, was sie wollte: Auslandsjahr, Pferd, Auto und Studium bis hin zur Eigentumswohnung. Und jetzt Halbe Halbe?

Aber auch das hat der Gesetzgeber berücksichtigt. Anna kann den realen Zugewinn (also mehr als 1/4) verlangen und einen Pflichtteil. Dazu muss sie aber das Erbe ausschlagen.

 

Schon an diesem Beispiel sieht man, dass die gutgemeinte und auch gutgemachte gesetzliche Regelung nicht auf jeden Fall passen muss. Und eine Erbengemeinschaft aus Elternteil und Kindern ist vielleicht auch nicht immer erstrebenswert. Da hilft also nur ein Testament, mit dem die gesetzliche Erbfolge verhindert wird. Aber was kann und darf man denn alles regeln?

 

Zunächst sollten die Eheleute ihre Ideen sammeln und ihre Ziele formulieren und auch gewichten. Was soll mit einem Testament erreicht werden? Folgende Wünsche werden immer wieder genannt:

 

      Absicherung des Ehepartners

      Absicherung der Kinder

      Absicherung der Enkel

      Erhalt eines Unternehmens

      Erhalt der Familienimmobilie/n

      besondere Berücksichtigung von „Sorgenkindern“

      Ausschluss bestimmter Personen von der Erbfolge

     

 

Zusätzlich hilft eine Checkliste für gemeinschaftliche Testamente, wie sie in dieser Broschüre zu finden ist. Eine solche Checkliste  ersetzt nicht die eigenen Überlegungen, klärt aber die tatsächlichen Gegebenheiten, so dass nichts vergessen werden kann.

 

2. Erbeinsetzungen

Hat man sich über die Ziele verständigt, weiß man möglicherweise schon, wer Erbe werden kann. Behinderte Kinder können eher nicht Erbe werden, weil sich sonst die Sozialhilfeträger einmischen und das Erbe für das Kind verloren geht. Und nicht jedes Kind ist in der Lage, das Unternehmen fortzuführen. Nicht jedes Kind kommt für die Weiternutzung des Elternhauses in die engere Wahl.

 

Bei der Bestimmung der Erben sollte man auch darüber nachdenken, ob eine Erbengemeinschaft also eine Mehrheit von Erben sinnvoll ist. Wenn man um eine Erbengemeinschaft nicht herum kommt, sollte man über die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers nachdenken, um die Streitigkeiten innerhalb einer Erbengemeinschaft zu vermeiden.

 

Wenn jemand nicht Erbe werden soll, muss man wissen, welche Pflichtteilsansprüche entstehen können. Zu Lebzeiten kann man auf einen Pflichtteilsverzicht hinarbeiten und einen solchen Verzicht vielleicht mit einer Abfindung versüßen.

 

Wenn man sich mit dem Ergebnis einigermaßen sicher ist, müssen noch die steuerlichen Konsequenzen bedacht werden. Wem stehen welche steuerlichen Freibeträge zu, bei wem werden sie überschritten, bei wem nicht ausgenutzt?

 

Und natürlich sollte man sich Gedanken darüber machen, wie man eine Absicherung der Familienangehörigen schon zu Lebzeiten vernünftig regeln kann.

 

Bei allem stellt sich zum Schluss die Frage: Ist das gerecht?

Die Gegenfrage lautet sofort: Was ist gerecht?

Ist es gerecht, wenn man alle Kinder gleich behandelt (oder es wenigstens versucht)?

Ist es gerecht, dass ein Kind, das sich 30 Jahre nur sporadisch hat sehen lassen genauso viel bekommt wie das Kind, das vor Ort war und im Garten, beim Einkauf und durch viele andere Hilfeleistungen die Eltern entlastet hat?

 

Wenn man die Eltern getrennt von einander befragt, wie die Kinder bedacht werden sollen, führt das häufig zu folgendem Ergebnis: Die Väter sagen spontan: Alle gleich! Und sie meinen das auch so. Die Mütter sind da wesentlich nachdenklicher. Sie haben sich schon lange überlebt, welches Kind mehr Unterstützung benötigt und welches Kind mehr oder weniger Erbe verdient hat.

 

Im Ergebnis dauert es deshalb schon eine Zeit lang, bis eine Lösung gefunden ist. Und die Frage der Eltern an den Fachanwalt oder Notar was man denn üblicherweise so schreibt, muss ehrlicherweise dahingehend beantwortet werden, dass es übliche Familienverhältnisse nicht gibt. Es gibt Familien die in vorbildlicher Weise zusammenhalten und es gibt Familien, in denen die Kinder schon Jahrzehnte im Geschwisterkampf gestählt sind. Und dann sind da ja noch die Schwiegerkinder, deren Einfluss selbstverständlich mit bedacht werden muss.

 

3. Vermächtnisse

Beim Thema Absicherung von Familienangehörigen, sollte man immer auch über die Möglichkeit von Vermächtnissen nachdenken. Derjenige, zu dessen Gunsten ein Vermächtnis bestimmt (juristisch ausgelobt) wird, heißt Vermächtnisnehmer. Der Vermächtnisnehmer ist nicht Erbe (es sei denn, er ist zusätzlich Erbe), bekommt aber trotzdem etwas. Und zwar von den Erben. Und das kann alles Mögliche sein.

 

Ein klassisches Vermächtnis ist das Wohnrecht oder der Nießbrauch an der Familienimmobilie zugunsten des überlebenden Ehepartners. In Testamenten zugunsten behinderter Kinder wird sehr häufig mit Vermächtnissen gearbeitet. „Mein Skatfreund Rudi kriegt mein Auto“ ist ein Vermächtnis.

 

Manchmal ist es schwierig, Vermächtnisse von Teilungsanordnungen zu unterscheiden: „Großmutters Schmuck bekommen unsere Töchter, Elke bekommt das goldene Armband, Rita die silberne Uhr und Sabine die Halskette mit den Edelsteinen“. Das wäre wohl eine Kombination aus Vermächtnis und Teilungsanordnung. Die Töchter bekommen den Schmuck wäre das Vermächtnis und die Verteilung des Schmucks wäre die Teilungsanordnung.

 

Wenn Pflichtteilsrechte zu entstehen drohen, kann man diese für die Erben unangenehmen Situationen dadurch verhindern, dass man Geldvermächtnisse in Höhe der zu erwartenden Pflichtteile für die Pflichtteilsberechtigten bestimmt. Ein Beispiel dafür ist das Zacharias’sche Testament.

 

4. Minderjährige in der Familie

Es kommt selten vor, dass die Kinder noch minderjährig sind, aber in vielen Fällen sollen auch Enkelkinder abgesichert werden. Und dann kann es schon eher mal zu minderjährigen Erben kommen. Die freuen sich natürlich genauso, aber wer trifft für sie die Entscheidungen? Natürlich die Eltern der Enkelkinder und damit kommen die Schwiegerkinder ins Spiel. Das ist für viele Großeltern eine unangenehme Vorstellung. Da kann eine angeordnete Testamentsvollstreckung hilfreich sein.

 

Minderjährige in einer Erbengemeinschaft sollten möglichst vermieden werden. Auch beim Thema Minderjährige und Immobilien kommt es möglicherweise zu anstrengenden finanziell und zeitlich aufwendigen Verfahren. Aber ein Geldvermächtnis kombiniert mit einer Testamentsvollstreckung kann alle diese Probleme vermeiden.

 

5. Testamentsvollstrecker

Die Anordnung einer Testamentsvollstrecker und die Bestimmung eines Testamentsvollstreckers ist oft sinnvoll. Das Testament ist für den Todesfall gedacht. Der überlebende Ehepartner muss sich um die Nachlassregelung kümmern. Kann er das dann noch? Ist ihm das noch zuzumuten? Will er sich mit einer Erbengemeinschaft oder mit Pflichtteilsberechtigten herumärgern? Ich weiß doch heute nicht, was in 25 Jahren ist! Vielleicht lebt der überlebende Ehepartner im Heim, vielleicht ist er dement, vielleicht hat er einen Betreuer. Möglicherweise hat er aber auch einfach keine Lust, sich mit dem Nachlass zu beschäftigen. Er will trauern können und seine Ruhe haben. Es gibt also viele gute Gründe, den oder die Erben von diesen Lasten zu befreien. Ein Testamentsvollstrecker bietet eine solche Entlastung. Er kann mit der Abwicklung des Nachlasses beauftragt werden. Er ist verpflichtet, den Willen des oder der Verstorbenen umzusetzen. Und durch den Testamentsvollstrecker sind Streitigkeiten in der Erbengemeinschaft kaum noch nötig, ganz im Gegenteil: Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung führt zu gemeinsamen Interessen der Erben, das schweißt sie möglicherweise zusammen. Tun Sie sich und Ihren Erben nur einen Gefallen: Bestimmen Sie keine Miterben als Testamentsvollstrecker!