Der Nachlasspfleger



Bevor die Nachlasspflegschaft beginnt, gibt es Stillstand. Ein Mensch ist verstorben. Der Briefkasten quillt über, das Krankenhaus weiß nicht, wohin mit dem Ehering, der Kulturtasche und dem Mantel des Verstorbenen. Die Esswaren im Kühlschrank vergammeln, alle Blumen vertrocknen und vor der Tür des Verstorbenen entstehen Spinnennetze.

 

Bei Alleinstehenden ohne Kinder und Verwandte merkt das Krankenhaus oder der Pflegedienst schnell, dass nach dem Tod irgendetwas getan werden muss, weil niemand die Sachen des Verstorbenen abholt. Spätestens im nächsten Monat, wenn die Miete nicht mehr eingeht, merkt es auch der Vermieter. Wenn ein Mensch stirbt und sich niemand um dessen Erbe kümmert, dann muss das Nachlassgericht handeln. Für solche Fälle braucht das Gericht einen Nachlasspfleger. Der wird dann vom Nachlassgericht bestellt und erhält eine Bestellungsurkunde, aus der sich seine Aufgaben ergeben. Er vertritt dann die unbekannten Erben – bis er sie gefunden hat.

 

Das Amtsgericht am letzten Wohnsitz des Verstorbenen erhält oft Briefe von Vermietern, in denen diese eine Nachlasspflegschaft anregen, weil keine Miete mehr gezahlt wird. Oder der Vermieter bekommt zwar Miete, aber die Wohnung steht leer und der Mietvertrag wird nicht gekündigt. In solchen Briefen der Vermieter steht dann häufig, dass kein Erbe vorhanden sei. Das Nachlassgericht prüft dann, ob eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden muss. Vielleicht gibt es schon eine Nachlassakte, weil ein Testament vorhanden war und dieses eröffnet wurde. Möglich ist auch, dass schon einige Verwandte die Erbschaft ausgeschlagen haben, nachdem sie das Chaos in der Wohnung des Verstorbenen gesehen haben. Vielleicht aber auch nicht. Manchmal weiß kein Angehöriger vom Tod des Verstorbenen. Das ist dann ein Grund für den Beginn einer Nachlasspflegschaft.

 

Der Nachlasspfleger kümmert sich um den Nachlass. Der Hauptzweck einer Nachlasspflegschaft ist die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. So steht es auf der Bestellungsurkunde. Was so hochtrabend klingt, ist in der Praxis des Nachlasspflegers anfangs oft sehr profan. Der Nachlasspfleger muss den Nachlass in Besitz nehmen. Er muss den Briefkasten leeren, die Wohnung aufschließen – wenn er denn einen Schlüssel bekommen hat –, die Katze füttern, die Blumen gießen, die Wohnung lüften. Ganz so einfach geht es natürlich nicht weiter. Der Nachlasspfleger muss später dem Nachlassgericht Bericht erstatten und erstellt dafür ein Nachlassverzeichnis über alle Dinge, die zum Nachlass gehören. Der Nachlasspfleger geht durch die ganze Wohnung, den Keller und den Dachboden und schreibt fein säuberlich alles auf, was er findet. Dazu gehören nicht nur die Schränke, Tische und Stühle, sondern auch die Kleinigkeiten, wie Ringe, Hörgerät und Brille. Schlicht und ergreifend muss alles bis zur letzten Stecknadel aufgelistet werden.

 

Hintergrund der Nachlasspflegschaft ist das Bedürfnis nach Absicherung. Wenn keiner mehr die Miete zahlt, ärgert sich der Vermieter. Wenn keiner mehr die Rechnungen zahlt, kommen bald erste Mahnungen und wenn die Bank sieht, dass das Konto im Minus ist, kündigt sie bald das Konto. Dadurch entsteht Chaos. Das Erbrecht sieht jedoch keine Lücke nach dem Tod vor. Der gesamte Nachlass des Verstorbenen geht sofort auf den Erben oder die Erben über, die aber noch nicht bekannt sind. Erben müssen manchmal gesucht werden, weil es nur entfernte Verwandte gibt.

 

In der Praxis kommt es oft vor, dass die Verwandtschaftsverhältnisse nicht mehr die besten waren und sich niemand für den Verstorbenen interessiert hat. Dann kommt auch keiner und übernimmt die Beerdigung. Das erledigt dann das Krankenhaus. Danach aber muss irgendjemand loslegen und Verträge kündigen, Rechnungen bezahlen und die Wohnung räumen. Der Nachlasspfleger sichert den Nachlass, verwaltet ihn und sucht die Erben.

 

Er kündigt den Mietvertrag, den Stromvertrag, den Gaslieferungsvertrag, den Telefonvertrag – alle Verträge müssen beendet werden. Ist der Nachlass nicht werthaltig und stehen die Gläubiger Schlange, kann er sich dagegen wehren und bestimmte Einreden erheben. Er kann auch bei der Bank Rücklastschriften veranlassen, damit wieder Geld in die Kasse kommt. Natürlich muss er alle Forderungen der Gläubiger sauber notieren und die Gläubiger befriedigen. Das geht manchmal nur dann, wenn jeder Gläubiger auf einen Teil seiner Forderung verzichtet. Das ist so ähnlich wie bei Insolvenzverwaltern. Jeder Gläubiger kriegt die gleiche Quote und dann ist Schluss. Das ist oft nicht einfach, wenn einige Gläubiger darauf warten, dass sich Erben melden. Die Erben würden dann für die Schulden des Erblassers haften, es sei denn, sie haben das Erbe innerhalb der gesetzlichen Frist ausgeschlagen oder eine andere Maßnahme ergriffen, um sich aus dem Griff der Gläubiger zu befreien.

 

Die Nachlasspflegschaft ist kein Ehrenamt. Was ein Nachlasspfleger als Vergütung erhält, richtet sich nach seinem Fachwissen, der Schwierigkeit und dem Umfang des Falles. Der Nachlasspfleger wird entweder aus dem Nachlass bezahlt oder aus der Staatskasse. Wenn er aus der Staatskasse bezahlt wird, bekommt er maximal 33,50 € pro Arbeitsstunde. Wenn er aus dem Nachlass bezahlt wird, kann er bis zu 150,00 € pro Arbeitsstunde verlangen.