Betreuung und Erbrecht

 


1. Die Testierfähigkeit des Betreuten

Wenn ein Mensch stirbt, gibt es Erben, denen der Nachlass zufällt. Diese Rechtsnachfolge ist entweder gesetzlich geregelt oder wird durch den sogenannten Erblasser testamentarisch oder erbvertraglich bestimmt. Wenn jemand unter Betreuung stand, stellt sich zunächst die Frage, ob er denn überhaupt durch Testament oder Erbvertrag eine Bestimmung treffen konnte. Seine Geschäftsfähigkeit ist möglicherweise beschränkt, vielleicht ist der Betreute auch geschäftsunfähig. Ist er deshalb aber auch testierunfähig? Nach dem Tode des Betreuten lässt es sich oft nur schwer klären, ob die Testierfähigkeit bestand. Dabei werden an die Testierfähigkeit nicht so hohe Voraussetzungen gestellt, wie an die Geschäftsfähigkeit. Man kann also geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt und trotzdem noch testierfähig sein. Allerdings wird es immer zu einem Rechtsstreit über die Testierfähigkeit kommen, wenn Zweifel an der Geschäftsfähigkeit bestehen.

 

Wer unter Betreuung steht, kann sich bei der Errichtung des Testaments oder beim Abschluss eines Erbvertrages auch nicht vertreten lassen. Das ist ein allgemeiner Grundsatz, der im Erbrecht gilt. Die Höchstpersönlichkeit des letzten Willens schließt die Vertretung aus.

 

Will der Betreute also wirksam testieren, ohne dass Zweifel an seiner Testierfähigkeit aufkommen, sollte er seinen letzten Willen notariell beurkunden lassen. Der Notar ist von Amts wegen verpflichtet, sich von der Testierfähigkeit zu überzeugen. Beim Notar sollte der Betreute offenlegen, dass er unter Betreuung steht. Der Notar wird dann möglicherweise den Hausarzt oder behandelnden Arzt um eine Stellungnahme bitten. Er wird sich aber insbesondere auch persönlich von der Testierfähigkeit überzeugen und dies in der Urkunde festhalten.

 

2. Der Betreuer als Erbe

Die letzte Person, die sich um den Betreuten persönlich kümmert, ist häufig der Betreuer. Dadurch entsteht der Wunsch, diesen im letzten Willen zu bedenken. Es stellt sich dann automatisch die Frage, ob es zulässig ist, den Betreuer testamentarisch zu bedenken. Dabei ist zunächst zu beachten, dass die Erbeinsetzung des Betreuers immer vom Verdacht der Erbschleicherei begleitet sein wird. Da aber Erbschleicherei juristisch nicht verboten ist, hat die Erbeinsetzung des Betreuers aus diesem Gesichtspunkt zunächst nur einen faden Beigeschmack.

 

Personen, die in einem Heim arbeiten, ist es untersagt, sich etwas schenken zu lassen. Das gilt auch für testamentarische Zuwendungen. Für das Verhältnis Betreuer und Betreuter ist jedoch das Heimgesetz nicht einschlägig. Trotzdem wird von der Rechtsprechung hin und wieder geprüft, ob bei einem Betreuungsverhältnis ein ähnliches Abhängigkeitsverhältnis besteht und deshalb die Erbeinsetzung bzw. testamentarische Zuwendung zu Gunsten eines Betreuers sittenwidrig ist. Insofern hat es auch einen Gesetzesentwurf gegeben, der die Ausweitung der Regelungen des Heimgesetzes auf Berufsbetreuer vorsah. Das ging dem Gesetzgeber dann aber zu weit, so dass hieraus geschlossen werden kann, dass die Einsetzung eines Betreuers als Erbe grundsätzlich nicht verboten oder sittenwidrig ist. Es können allerdings Umstände hinzutreten, die auf ein Abhängigkeitsverhältnis schließen lassen, so dass die Gerichte die Sittenwidrigkeit des Testaments oder Erbvertrages feststellen. Das kann auch passieren, wenn nicht der Betreuer, sondern dessen Familienangehörige (Frau und Kinder) testamentarisch bedacht werden.

 

3. Pflichten des Betreuers nach dem Tode des Betreuten

Mit dem Tod des Betreuten endet das Betreuungsverhältnis. Denn es gilt ja der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge, d. h. der Nachlass fällt mit all seinen Rechten und Pflichten im Zeitpunkt des Todes dem Erben oder der Erbengemeinschaft zu. Deshalb endet das Betreuungsverhältnis. Fraglich ist, ob durch das Ende des Betreuungsverhältnisses Abwicklungspflichten entstehen. Fest steht, dass dem Betreuer u. a. eine sogenannte Notverwaltungsbefugnis zusteht, die er auch wahrnehmen muss, solange die glücklichen Erben noch nichts von ihrer Erbenstellung wissen. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Pflicht zur Notverwaltung endet, sobald ein Erbe von seinem Glück erfährt. Die Frage ist aber, was der Betreuer alles tun darf, solange der oder die Erben nicht bekannt sind. Er muss jedenfalls alles vermeiden und verhindern, was den Nachlass oder dessen Wert mindert. Und natürlich muss der Betreuer Schlussrechnung legen. Nicht gegenüber dem Gericht, sondern gegenüber dem oder den Erben.

 

4. Annahme oder Ausschlagung?

Der Betreute kann Erbe werden, sowohl gesetzlich als auch testamentarisch. Er kann Alleinerbe werden oder Miterbe, Vorerbe, Nacherbe, Schlusserbe, es gibt keinerlei Beschränkungen. Weil aber der Erbe mit der Sekunde des Todes die Rechtsnachfolge des Erblassers antritt, gehen auf ihn nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten über. Die Aufgabe des Betreuers ist es, diese Rechte und Pflichten wahrzunehmen. Doch zunächst ist die Entscheidung zu treffen, ob die Erbschaft angenommen werden soll oder nicht. Ist der Nachlass eindeutig überschuldet, muss der Betreuer das Erbe ausschlagen. Das kann er aber nur innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis vom Erbfall. Der Betreuer kann dies aber nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts tun. Darin liegt wiederum die Chance, die Sechs-Wochen-Frist zu verlängern. Schlägt der Betreuer nämlich das Erbe ohne Genehmigung des Betreuungsgerichts fristgerecht aus, ist diese Ausschlagung zunächst schwebend unwirksam. Sie wird erst wirksam, wenn die Genehmigung vom Betreuungsgericht erteilt wird. Wichtig ist aber, dass der Betreuer zur Fristwahrung den Genehmigungsantrag beim Betreuungsgericht innerhalb der Sechs-Wochen-Frist stellt. Er muss also doppelt tätig werden! Das Gericht wird die Genehmigung erst dann erteilen, wenn ausreichend Nachforschungen über den Wert des Nachlasses erfolgt sind. Das gibt viel Zeit!

 

Stellt sich nach Ausschlagung und Genehmigung der Ausschlagung heraus, dass der Nachlass doch werthaltig ist, hat der Betreuer möglicherweise ein Haftungsproblem. Deshalb wird allgemein angeraten, die Ausschlagung der Erbschaft nur als ultima ratio anzusehen. Denn es gibt auch andere Möglichkeiten, die Haftung des Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers zu beschränken. Diese Möglichkeiten sind auch in Betracht zu ziehen, wenn sich lange nach dem Erbfall und nach Annahme der Erbschaft herausstellt, dass der Nachlass überschuldet ist. Dann kann der Betreuer des Erben ein Aufgebot der Gläubiger beim Nachlassgericht beantragen. Damit hat man wieder drei Monate Zeit gewonnen. Und nur die Gläubiger, die sich innerhalb dieses Zeitraums gemeldet haben, müssen mit ihren Forderungen bei der Nachlasswertfeststellung berücksichtigt werden. In diesem Zeitraum kann dann der Betreuer auch die Inventarserrichtung vornehmen.

 

Eine weitere Möglichkeit, die Haftung auf den Nachlass zu begrenzen, ist die Durchführung eines Nachlassinsolvenzverfahrens oder wenn die Überschuldung des Nachlasses noch nicht feststeht, die Nachlassverwaltung. Jeweils zuständig ist das Nachlassgericht.

 

Es gibt noch weitere prozessuale Möglichkeiten, die Haftungsbeschränkung des betreuten Erben zu realisieren. Im Ergebnis ist jedenfalls die Ausschlagung nicht die alleinige Möglichkeit und möglicherweise auch nicht die risikoloseste.

 

5. Der Betreute als Miterbe

Durch gesetzliche Erbfolge aber auch durch Testamente entstehen häufig Erbengemeinschaften. Nicht einer allein soll erben, sondern mehrere zusammen. Sie sind Miterben. Ist der Betreute Miterbe, so bildet er zusammen mit den anderen Erben eine Erbengemeinschaft. Eine Erbengemeinschaft ist eine Zwangsgemeinschaft. Und sie ist auf Auseinandersetzung gerichtet. Das heißt die Miterben müssen sich irgendwann darauf einigen, wie der Nachlass verteilt wird. Im schlimmsten Fall müssen alle Sachwerte versilbert werden, damit das Geld dann entsprechend den Anteilen der Miterben verteilt werden kann. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn die Erbengemeinschaft nicht darauf angewiesen wäre, alles gemeinsam zu erledigen. Können sich die Miterben nicht auf einen „Geschäftsführer“ einigen, müssen alle Entscheidungen einstimmig herbeigeführt werden.

 

Für den Betreuer ist die Erbengemeinschaft eine durchaus praktische Angelegenheit. Er kann sich als Vertreter des Betreuten zurücklehnen und die anderen machen lassen. Wenn es um die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft geht, kann er darauf verweisen, dass er für die Zustimmung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Auch im Vorfeld bezüglich der Frage der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft kann sich der Betreuer schon nach dem Verhalten der Miterben einigermaßen richten.

 

6. Der Betreute als Pflichtteilsberechtigter

Es kommt häufig vor, dass gewollt oder ungewollt die gesetzlichen Erben nicht gleichermaßen berücksichtigt werden. So wird häufig nicht bedacht, dass durch ein Berliner Testament nach dem Tode des erstversterbenden Elternteils Pflichtteilsrechte der Kinder entstehen. Aber manchmal werden Kinder auch bewusst von der Liste der Erben gestrichen oder benachteiligt, weil es zu Lebzeiten Streit gab oder weil man seit Jahrzehnten keinen Kontakt hatte oder weil es Sozialleistungen erhält (und rückerstatten müsste). Wenn also das Kind nicht erben soll, entstehen Pflichtteilsrechte. Zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis gehören neben den Kindern, Enkeln und weiteren Abkömmlingen des Verstorbenen auch der Ehegatte und manchmal auch die Eltern.

Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Das ist also nicht die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, sondern die Hälfte des Wertes, somit ein Geldanspruch. Sonst wären ja auch die Erben und die Pflichtteilsberechtigten zusammen in einer Erbengemeinschaft, was der Gesetzgeber vermeiden wollte (in einer Erbengemeinschaft zu sein, ist kompliziert genug. Wenn nun auch noch benachteiligte Pflichtteilsberechtigte dazugehören würden, … nicht auszudenken!).

Weil der Pflichtteilsanspruch ein Geldanspruch ist, der mit dem Tod des Erblassers fällig wird, ist er so problematisch. Denn oft besteht der Nachlass überwiegend aus Sachwerten, z.B. Immobilien oder Betriebsvermögen oder das Bankvermögen ist langfristig angelegt und nicht schnell verfügbar. Das ist dem Pflichtteilsberechtigten egal. Er ist schließlich enterbt und gegenüber den Erben benachteiligt. Wenn diese nun einen Nachteil erdulden müssen, ist das für den Pflichtteilsberechtigten ausgleichende Gerechtigkeit. Dass das Elternhaus oder das Unternehmen „versilbert“ werden müssen oder die Finanzanlageverträge vorfristig und mit erheblichen Verlusten gekündigt werden müssen, stört ihn also nicht.

 

Deshalb versuchen die potentiellen Erblasser, das Entstehen von Pflichtteilsrechten oder allzu hohen Geldansprüchen zu verhindern. Das geht bei Schenkungen zu Lebzeiten an die Erben oder den Ehegatten häufig schief, denn es werden die sogenannten Pflichtteilsergänzungsansprüche übersehen. Auch Minimalbeteiligungen am Nachlass (z.B. 1/100) lösen das Problem nicht, denn es können Pflichtteilsrestansprüche entstehen.

 

Das Hauptargument gegen Pflichtteilsansprüche seitens der Eltern ist, dass die pflichtteilsberechtigten Kinder doch schon zu Lebzeiten großzügige Unterstützung oder Ausstattung oder Geschenke erhalten hatten. Das ist zwar nachvollziehbar, aber erbrechtlich nicht immer zu berücksichtigen. Es gibt viele Gründe, der Familie oder anderen Personen vor dem Tode etwas zukommen zu lassen. Man hilft beim Start ins Berufsleben, beim Hausbau, aus einer finanziellen Klemme oder man will die steuerlichen Freibeträge frühzeitig (alle 10 Jahre) ausnutzen oder man hat keine Lust auf komplizierte erbrechtliche Regelungen, auf Streit nach dem Tod, auf Pflichtteilsansprüche und und und. Außerdem gilt im Volksmund immer noch: Man soll mit warmer Hand verschenken, damit man das Glück der Beschenkten selber sieht.

 

Nun häufen sich die Fälle, dass der Erblasser zu Lebzeiten und kurz vor seinem Tod die vorweggenommene Erbfolge durch Schenkungen und Übertragungen nach seinem Gutdünken vornimmt. Dadurch wird der Nachlass geschmälert, was diejenigen ärgert, die nicht zum Kreis der Beschenkten gehören oder weniger bekommen haben als die anderen.

 

Der Gesetzgeber hat auch an diese Konstellationen gedacht und mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen dafür gesorgt, dass die Pflichtteilsberechtigten nicht ausgebootet werden können. In dem Zusammenhang haben die meisten gleich die 10-Jahresfrist im Kopf, die immer wieder zu Missverständnissen führt.

 

Tatsächlich kann der Pflichtteilsberechtigte keine Ergänzungsansprüche mehr geltend machen, wenn die Schenkung mehr als 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers vollzogen worden ist. Seit 2010 gilt für diese 10-Jahresfrist das sogenannte Abschmelzungsmodell, das heißt, dass die Schenkungen innerhalb der 10-Jahresfrist in jedem Jahr mit 10 Prozent weniger berücksichtigt werden. Bis 2010 galt eine starre Frist: waren die 10 Jahre noch nicht um, wurde die Schenkung mit ihrem vollen Wert dem Nachlass hinzugerechnet. Aber eines darf bei alledem nicht übersehen werden: Bei Schenkungen unter Eheleuten gilt diese 10-Jahresfrist erst ab der Scheidung. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass alle Schenkungen unter Eheleuten während der Ehezeit mit ihrem vollen Wert dem Nachlass zur Berechnung der Pflichtteilsergänzungsansprüche hinzugerechnet werden.

 

Der Betreute ist seinen Eltern gegenüber, aber auch seinen Abkömmlingen und seinem Ehepartner gegenüber pflichtteilsberechtigt. Das ist vom Betreuer zu berücksichtigen, auch wenn der Erbfall noch nicht eingetreten ist.

Denn es wird häufig versucht, schon zu Lebzeiten die Vermögensnachfolge durch Vermögensverteilung zu regeln. In dem Zusammenhang werden möglicherweise auch von dem Betreuten Pflichtteilsverzichtserklärungen oder Erbteilsverzichtserklärungen gefordert. Die Frage ist, inwieweit der Betreuer bei solchen Regelungen mitwirken darf und ob solche Regelungen vom Betreuungsgericht zu genehmigen sind.