Erläuterungen zur Vorsorgevollmacht



1. Vollmachten


Wir leben in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Die demographische Entwicklung beschert uns nicht nur immer weniger junge Menschen, sondern auch immer mehr Senioren. Und der medizinische Fortschritt bringt uns fast alle auf Hundert oder sogar darüber hinaus. Das geht natürlich nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen. Als besonders belastend empfinden wir die Vorstellung, dass wir körperlich einigermaßen fit bleiben, aber geistig total abbauen. Das Alzheimer-Gespenst erschreckt uns gewaltig. Aber auch die Möglichkeiten medizinischer Technik sind weit über das hinausgegangen, was wir zu akzeptieren bereit sind.


Also wollen wir Einfluss nehmen auf das, was mit uns geschieht, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen, weil wir nicht mehr geschäftsfähig oder bewusstlos sind. Wir wollen nicht fremdbestimmt werden oder Menschen ausgeliefert sein, die vielleicht andere Vorstellungen von einem menschenwürdigen Altern und Sterben haben. Nun lässt auch der Staat seine Bürger nicht im Stich, wenn sie sich nicht mehr um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern können. Dabei sind die Zeiten, dass man bevormundet wurde, vorbei. Man bekommt keinen Vormund, wenn man im Alter auf Hilfe angewiesen ist, sondern einen Betreuer.


Die eigenen Entscheidungen sind nicht per se unwirksam, sondern der Betreuer soll darauf achten, dass der betroffene Betreute nicht übervorteilt wird. Und er entscheidet natürlich Dinge, die der Betroffene nicht mehr selbst entscheiden kann. Das Betreuungsgericht wird sich nur auf Antrag mit der Frage beschäftigen, ob Sie einen Betreuer benötigen. Dabei wird es zuerst prüfen, ob Sie durch eine eigene Vorsorgeverfügung Ihre Angelegenheiten selbst geregelt haben. Denn alles, was Sie selbst geregelt haben, braucht das Gericht nicht zu entscheiden

 

Sie können also durch eine Vorsorgevollmacht verhindern, dass ein Betreuer bestellt wird. Aber was ist das für eine Vollmacht? Zunächst können Sie eine Vollmacht für so ziemlich alle Geschäfte des täglichen Lebens erteilen, bei denen Sie sich vertreten lassen können. Es gibt nur wenige Einschränkungen z.B. für höchstpersönliche Rechtshandlungen wie Testamente, Eheschließungen etc.. Dann muss man hin und wieder notarielle Formvorschriften beachten, wie z.B. bei Grundstücksgeschäften. Darüber hinaus haben Sie aber schon ganz oft Vollmachten erteilt, z.B. Postvollmachten, Bankvollmachten, Anwaltsvollmachten, Notarvollmachten.


 

2. Risiken einer Vorsorgevollmacht


Vollmachten sind im geschäftlichen Verkehr nichts Besonderes. Sie erleichtern den Alltag. Aber sie sind nicht ganz risikolos. Der Bevollmächtigte kann schalten und walten. Der Vollmachtgeber sollte deshalb seinen Bevollmächtigten überwachen können. Das kann bei der Vorsorgevollmacht schwierig werden. In der Rechtsprechung mehren sich die Fälle, in denen die Betreuungsgerichte feststellen, dass eine Überwachung des Bevollmächtigten nötig, aber dem Vollmachtgeber nicht möglich ist. Dann wird ein Betreuer zur Vollmachtsüberwachung bestellt. Dieser Kontrollbetreuer und der Bevollmächtigte geraten häufig aneinander. Für den Bevollmächtigten bedeutet es Mehrarbeit, wenn er dem Kontrollbetreuer bis ins Kleinste Rechenschaft ablegen soll. So war das mit dem Vollmachtgeber nicht vereinbart, deshalb weigert er sich häufig. Der Kontrollbetreuer widerruft dann die Vollmacht. Damit ist sie nichtig. Und Sie sind nicht mehr ausreichend geschäftsfähig, eine neue Vorsorgevollmacht zu erteilen. Und das ist alles kaum justitiabel, Sie dürfen also von Gerichten keine Hilfe erwarten. Zwar können Sie vielleicht feststellen lassen, dass der Widerruf der Vollmacht übereilt oder unverhältnismäßig war, aber er ist wirksam. Eine Unwirksamkeit des Widerrufs wird in den seltensten Fällen feststellbar sein.

 

Deshalb sieht die Berliner Vorsorgevollmacht 2 Wege vor, einen Vollmachtswiderruf zu verhindern: zum einen können Sie die Bestellung eines Kontrollbetreuers dadurch zu umgehen versuchen, in dem Sie einen Kontrollbevollmächtigten bestimmen, der die Tätigkeit des Vorsorgebevollmächtigten überwacht. Im schlimmsten Fall, also bei Widerruf der Vollmachten durch einen Betreuer, gibt das Formular dem Gericht einen Weg vor, wie die Wirkungen eines unzulässigen Widerrufs beseitigt werden können und die Vorsorgevollmacht wiederhergestellt wird. Nämlich durch einen Fachanwalt für Familienrecht als Zusatzbetreuer.

 


3. Das Formular


Wenn Sie die Berliner Vorsorgevollmacht verwenden, sollen Sie zuerst persönliche Angaben machen. Als Beispiel finden Sie die Angaben von einem Manfred Muster. Nun gibt es Leute, die mir sagen, dass Sie das Formular ja gar nicht benutzen können, weil sie gar nicht Manfred Muster heißen. In solchen Fällen rate ich von einer Vollmacht grundsätzlich ab.

Das Formular macht es mir eigentlich leichter, eine Vorsorgevollmacht richtig zu erstellen. Wenn ich aber schon in der ersten Zeile Schwierigkeiten habe, den Sinn und Zweck eines Beispiels zu erkennen, ist der Rest des Formulars in jedem Fall überfordernd.

 

Es folgen weitere Hinweise für Vollmachtgeber, Vollmachtnehmer und das Betreuungsgericht. Erst dann geht es „zur Sache“! Sie müssen Personen auswählen, die Sie vertreten sollen. Bitte daran denken: Mindestens einen, der mindestens eine Generation jünger ist. Denken sie an Johannes (Jopi) Heesters, der 108 Jahre alt geworden ist.

 

Sie sollten auch mehrere Bevollmächtigte benennen. Vielleicht auch für verschiedene Aufgabengebiete. Ihre Nichte als Bankkauffrau ist doch vielleicht genau die richtige für Ihre Vermögensangelegenheiten und Ihr Sohn als Krankenpfleger der geeignete Bevollmächtigte für Gesundheitsangelegenheiten oder Wohnungsangelegenheiten. Es muss nicht immer nur einer oder eine sein!

 

Dann folgt eine Auswahl von Tätigkeitsbereichen, die natürlich erweiterbar ist. Formulare sind nicht immer dazu da, sie sklavisch und unverändert zu gebrauchen. Ein Formular sollte immer eine Hilfe, niemals Zwang sein.

 

Nun kommen in meinen Vorträgen die nächsten Fragen: Wozu sind die Kästchen da? Ich antworte mittlerweile: zum Ausmalen! Ganz ehrlich: Nicht jeder sollte sich rechtlich anspruchsvolle Angelegenheiten selbst zutrauen!

 

Dann kommt die nächste Frage, die ich gerne beantworte: Warum kann man nur „Nein“ ankreuzen? Antwort: Die Aufzählung der Tätigkeitsbereiche ist nur beispielhaft. Es sind noch viele andere Aufgabenbereiche vorstellbar. Damit aber kein Bereich übersehen wird, soll das Formular wie eine Generalvollmacht verstanden werden und nur, wenn ein Bereich ausgeschlossen werden soll, wird das angekreuzt. Sie kreuzen also nicht an, was Sie haben wollen, sondern was Ihnen zu weit geht.

 

Zum Schluss kommt noch die Möglichkeit, einen „Kontrolleur“ zu bestimmen. Das müssen Sie aber mit allen Bevollmächtigten besprechen. Doch es bietet sich manchmal an: Ihr Sohn wohnt in Ihrer Nähe, die Tochter weiter weg. Der Sohn soll bevollmächtigt werden. Da könnte die Tochter misstrauisch werden. Das braucht sie nicht, wenn sie den Bruder kontrollieren kann, weil dieser beispielsweise ihr alle Kontoauszüge in Kopie schickt. Er wird sie auch in Wohnungsangelegenheiten und andere wichtige Entscheidungsprozesse mit einbeziehen, wenn sie Kontrollbevollmächtigte ist.

 


4. Wohin mit der Vollmacht?


Wenn man nun eine Vorsorgevollmacht erstellt hat, ist die Frage, was damit geschehen soll. Zunächst bietet sich die Registrierung bei der Bundesnotarkammer an. Wenn die Vollmacht dort registriert ist, geht man sicher, dass der Betreuungsrichter in einem Verfahren davon Kenntnis bekommt.

Dann sollte man dafür sorgen, dass im Falle eines Falles der Bevollmächtigte das Original erhält, denn er muss sich damit legitimieren können.

Einfach nur im Dokumentenordner im Wohnzimmerschrank ablegen ist häufig genug nicht genug.