Das Zacharias`sche Testament

 


In Deutschland errichten Eheleute gern und häufig ein gemeinschaftliches Testament. Oft wird inhaltlich auf das sogenannte Berliner Testament zurückgegriffen, mit dem sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben einsetzen, Schlusserben sollen dann die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen werden. Dieses Berliner Testament ist nicht ganz unproblematisch, weil es Pflichtteilsrechte auslöst und steuerliche Freibeträge “verfallen” lässt.

 

Für Patchworkfamilien ist das Berliner Testament in seinen Folgen noch unangenehmer. Durch die Verwendung von Zusatzklauseln wird manchmal deutlich, dass die Eheleute nicht wirklich wissen, was sie mit ihrem gemeinschaftlichen Testament auslösen. Darüber hinaus wird oft die Bindungswirkung verkannt, außerdem werden die Widerrufs-, Ausschlagungs- und Anfechtungsmöglichkeiten übersehen.

 

Das Ziel einer Erbfolgeregelung durch Berliner Testament ist in erster Linie die bestmögliche Versorgung des überlebenden Ehegatten. Das zweite Ziel ist meist die gleichmäßige Berücksichtigung der gemeinsamen Kinder. Die mögliche Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten wird heute nicht mehr ganz so häufig als regelungsbedürftig angesehen.

 

Weil das Berliner Testament wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen nicht mehr ganz so zeitgemäß erscheint, lohnt sich ein Blick in andere Rechtsordnungen. Wie können die Ziele der Eheleute durch eine modernere Gestaltung erreicht werden?

 

Bei einem unserer europäischen Nachbarn, den Niederlanden, gibt es eine interessante und relativ neue Regelung der gesetzlichen Erbfolge. Dort erben der überlebende Ehegatte und die Kinder gemeinsam. Die Bruchteile spielen keine so bedeutende Rolle. Insbesondere sind die Erbteile der Ehepartner nicht vom familienrechtlichen Güterstand abhängig.

 

Interessant ist vor allem, dass zwischen dem Erbteil des überlebenden Ehegatten und den Erbteilen der Kinder ein erheblicher Unterschied gemacht wird. Denn nach der gesetzlichen Regelung geht das gesamte Erblasservermögen auf den überlebenden Ehegatten über. Die Gesamtrechtsnachfolge findet also allein durch den überlebenden Ehegatten statt.

 

Die Kinder erhalten lediglich eine Geldforderung, die im Wert ihrem Erbanteil entspricht. Diese Geldforderung entspricht also ihrem Anteil am Nachlass und besteht gegenüber dem überlebenden Elternteil. Die Forderung ist allerdings erst fällig, wenn der überlebende Elternteil stirbt und ist deshalb auch mit dem gesetzlichen Zinssatz, mindestens aber mit 6 % p. a. zu verzinsen.

 

Wegen der Gesamtrechtsnachfolge durch den überlebenden Ehegatten können sich Erbschaftsgläubiger auch nur an diesen halten.

 

Durch die niederländische gesetzliche Erbfolge werden Vorteile erreicht, die durch ein deutsches Berliner Testament nur teilweise erreicht werden können. Deshalb lohnt es sich durchaus, darüber nachzudenken, ob man die niederländische gesetzliche Erbfolge ins Deutsche “übersetzen” kann. Nun kann man nicht ohne Weiteres in seinem Testament bestimmen, dass für die Erbfolge niederländisches gesetzliches Erbrecht gelten soll. Aber man kann die Grundzüge des niederländischen gesetzlichen Erbrechts durchaus durch deutsches testamentarisches Erbrecht nachzubilden versuchen. Das Ergebnis nennen wir nachfolgend: “Das Zacharias‘sche Testament”

 

Das Zacharias‘sche Testament ist ein gemeinschaftliches Ehegattentestament, geeignet für Eheleute mit gemeinsamen Kindern. Bei nicht gemeinsamen Kindern müssen erhebliche Änderungen je nach Einzelfall vorgenommen werden.

 

Sodann könnte folgender Text als Grundmuster dienen, der natürlich nicht einfach so übernommen werden darf, sondern auf den jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der Vermögensverteilung unter den Eheleuten und dem vorgegebenen Güterrecht zumindest steuerlich zu optimieren ist.

 

1.    Wir setzen uns gegenseitig als Erben ein, Ersatzerben werden unsere Kinder.

2.    Unsere Kinder erhalten nach dem Tod des Ersten von uns ein Geldvermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils, zahlbar bis zum Tod des Zweiten von uns, mindestens aber in Teilbeträgen von 2 % per annum. Das Geldvermächtnis ist mit der Schlusszahlung mit 4 % per annum ab Entstehung zu verzinsen.

3.    Wir ordnen Testamentsvollstreckung für beide Erbfälle an. Testamentsvollstrecker soll ein Fachanwalt für Erbrecht sein. Seine vornehmste Aufgabe ist es, die angemessene Versorgung des Längerlebenden aus dem Nachlass zu erbringen.

4.    Erbschaftssteuern sind für alle Beteiligten vom Testamentsvollstrecker zu entrichten und auf die Geldvermächtnisse anzurechnen.

 

Mit der Ziffer 1 wird die Erbfolge geregelt. Nach dem Tod des ersten Elternteils wird der zweite Erbe. Weil keine anderen Erben benannt sind, ist er Alleinerbe. Nach dem Tod des zweiten Elternteils ist kein überlebender Elternteil mehr vorhanden, so dass die Ersatzerbenregelung greift, also die Kinder Erben werden. Sie bilden nun eine Erbengemeinschaft mit allen unangenehmen Erscheinungen und dem daraus resultierenden Streitpotential. Zur Abmilderung ist die Ziffer 3 mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung vorgesehen.

 

Die Kinder sind – im Gegensatz zum Berliner Testament – beim ersten Erbfall nicht enterbt, denn es wird ihnen ein Geldvermächtnis in Höhe des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils zugestanden. Dieser Geldbetrag ist zahlbar bis zum Tod des zweiten Elternteils, wird jedoch nicht vor dem Tod des zweiten Elternteils einklagbar. Aber die Forderung ist schon entstanden und auch zu verzinsen. Um die steuerlichen Freibeträge nach dem Tod des ersten Elternteils zu nutzen, sollten vor dem Tod des zweiten wenigstens Teilbeträge gezahlt werden.

 

Natürlich entstehen für die Kinder fast dieselben Risiken, wie sie die Schlusserben im Berliner Testament beachten müssen. Denn das Vermögen (sowohl das ererbte als auch das eigene) kann für den überlebenden Elternteil verbraucht werden. Bei einem Berliner Testament können die Kinder sich drei Jahre lang überlegen, ob sie dieses Risiko eingehen wollen oder zumindest schon einmal den Pflichtteil geltend machen. Beim Zacharias‘schen Testament besteht diese Möglichkeit für ein pflichtteilsberechtigtes Kind nur, wenn es das Vermächtnis nicht annimmt oder ausschlägt, wozu ihm eine angemessene Frist gesetzt werden kann. Aber es ist ja anderweitig einigermaßen abgesichert.

 

Eine erste Absicherung der Kinder besteht in der angeordneten Testamentsvollstreckung. Deren Ziel ist es, die angemessene Versorgung des Längerlebenden aus dem Nachlass zu übernehmen. Das heißt, der überlebende Ehegatte kann sein Vermögen für sich verbrauchen. Das Vermögen des vorverstorbenen Ehegatten verbleibt in der Verwaltung des Testamentsvollstreckers. Dieser muss allerdings angemessene Unterhalts- und Versorgungsleistungen für den längerlebenden Ehepartner erbringen. Das ist im Sinne der Kinder und ihrer Eltern. Denn die Eltern wollen sich zwar gegenseitig absichern, aber auch nicht zulassen, dass der Überlebende z. B. ein Faible für Kreuzfahrten entwickelt oder regelmäßig Casinos besucht. Er soll aber den gewohnten Lebensstil beibehalten können. Eine weitere Absicherung der Kinder liegt in der Teilzahlungsverpflichtung und der Verzinsung.

 

Die Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten ist mit der Testamentsvollstreckereinsetzung auf einmal unproblematisch. Auch alle übrigen familienfremden Verfügungen kann der Testamentsvollstrecker wirksam verhindern. Natürlich muss die Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht zwingend sein, wer aber die Kosten scheut, sollte sich überlegen, was im Endeffekt teurer wird. Pflichtteilsprozesse und Streitigkeiten in der Erbengemeinschaft sind jedenfalls Anwalts Liebling.

 

Weil den Kindern das Geldvermächtnis nicht sofort zufließt, wird der Testamentsvollstrecker verpflichtet, alle Erbschaftssteuern zu bezahlen, die natürlich auf die jeweiligen Geldvermächtnisse angerechnet werden.

 

Im Ergebnis ist beim Zacharias‘schen Testament im Vergleich zum Berliner Testament das Pflichtteilsrisiko erheblich verringert. Zum Einen wird den Kindern ein Geldvermächtnis in Höhe ihres Erbteils zugestanden und verzinst, zum Anderen wird durch den Testamentsvollstrecker verhindert, dass der Nachlass familienfremd verbraucht wird und zum Dritten müssen die Kinder zügig mit der Ausschlagung des Vermächtnisses reagieren, wenn sie Pflichtteile geltend machen wollen. Ein zusätzlicher positiver Nebeneffekt liegt in der möglichen Vermeidung der Pflichtteilskumulation.

 

Ein weiterer Vorteil des Zacharias‘schen Testaments ist die Ausnutzung der persönlichen Steuerfreibeträge der Kinder, die beim Berliner Testament nach dem Tod des ersten Elternteils nicht genutzt werden können. Eine Steuerkumulation kann ebenfalls verhindert werden.

 

Im Übrigen entlastet die Testamentsvollstreckeranordnung den überlebenden Ehegatten. Dieser muss kein Nachlassverzeichnis mehr errichten, das übernimmt der Testamentsvollstrecker. Dieser verhindert auch den Missbrauch oder ungewollte Verfügungen durch Betreuer oder Bevollmächtigte, jedenfalls was den Nachlass des Erstversterbenden angeht.

 

Was die Verlässlichkeit der Bindungswirkung des Zacharias‘schen Testaments angeht, so bestehen leider wenig Unterschiede zum Berliner Testament.

 

Deshalb ein Hinweis zum Schluss: Sowohl ein Berliner Testament als auch ein Zacharias‘sches Testament sollten Sie nie ohne kompetente juristische Beratung errichten.