Nachlassverzeichnis



Nach dem Tode gilt es für die Erben, festzustellen, was der Verstorbene so alles hinterlassen hat. Abgesehen vom Hausrat und den persönlichen Dingen gibt es in den meisten Fällen noch Bankverbindungen und Bankvermögen (Aktien, Anteile, Festgelder, Sparverträge, aber auch Darlehen), laufende Verträge (Strom, Gas, Telefon, Miete, Versicherungen, Zeitungen und Zeitschriften, Mitgliedschaften in Vereinen, Genossenschaften, Gesellschaften), Sachwerte wie Immobilien, Schmuck, Münzsammlungen etc. und Kunstgegenstände, Unternehmensanteile, geistige Schutzrechte (z. B. Urheberrechte, Patente oder Markenrechte) bis hin zum sogenannten digitalen Nachlass, also alle Verbindungen und Kontakte übers Internet.

 

Für all diese Dinge interessieren sich das Nachlassgericht, das Finanzamt, die Miterben, die Pflichtteilsberechtigten, der Nachlasspfleger, der Testamentsvollstrecker und überhaupt alle, die mit dem Nachlass in irgend einer Weise zu tun haben oder beteiligt sind. Es gibt unterschiedliche Personen, die zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses verpflichtet sein können, nämlich in erster Linie die Erben selbst, aber auch die Erbschaftsbesitzer und von Amts wegen die Nachlasspfleger und Testamentsvollstrecker. Und dann gibt es die Personen, die ein Nachlassverzeichnis verlangen können. Das sind vor allem die Pflichtteilsberechtigten. Der Verstorbene hat sie übergangen. Der Pflichtteil ist für sie kein Trostpreis. Und bei dem Gedanken, was sie als Erben alles hätten kriegen können, wird die Vorstellung vom Nachlass immer größer.

 

Die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Nachlassverzeichnissen wird sich beschleunigen. Die Nachlassverzeichnisse werden bedeutender, weil die vererbten Vermögen bedeutender werden. Die zur Errichtung eines Nachlassverzeichnisses verpflichteten Erben beauftragen immer häufiger Notare mit der Erstellung, denn ein Nachlassverzeichnis bedeutet viel Arbeit. Die Auskunftsverpflichteten haften für die Vollständigkeit und Richtigkeit und müssen eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Da ist es durchaus sinnvoll, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Ein besonderer Knackpunkt beim Nachlassverzeichnis im Pflichtteilsrecht ist der sogenannte fiktive Nachlass. Die Erben sind nämlich verpflichtet, dem Pflichtteilsberechtigten die Schenkungen des Verstorbenen – und zwar nicht nur der letzten zehn Jahre – aufzulisten. Und diese lebzeitigen Schenkungen haben es in sich. Ein Beispiel: Haben Eheleute in einer Einverdienerehe ein Haus gebaut, dann stammt das Geld meistens von dem alleinverdienenden Ehepartner. Dieser bedient das Darlehen der Bank, für das beide Eheleute als Grundstückseigentümer haften. Mit jeder monatlichen Tilgung trägt der verdienende Ehepartner auch die Bankschuld des anderen mit ab und erhöht durch die Tilgung auch den Wert der Grundstückshälfte des anderen Ehepartners. Das sind Vermögensmehrungen ohne Gegenleistungen, also Schenkungen. Und zwischen Eheleuten läuft keine Zehnjahresfrist! Apropos Zehnjahresfrist: Bei jeder Frist muss man nicht nur prüfen, wann sie endet, sondern, ob sie überhaupt zu laufen begonnen hat. Die Zehnjahresfrist bei Schenkungen beginnt erst zu laufen, wenn die Schenkung vollzogen ist. Hat sich der Schenker umfangreiche Rechte vorbehalten, wie z. B. Nießbrauch, Wohnrecht, Rückübereignung, etc., hat er nicht bzw. noch nicht wirklich geschenkt.

 

Großer Streit entsteht häufig bei der Bestimmung des Wertes von Nachlassgegenständen. Was bei Bar- und Bankvermögen unkompliziert ist, wird bei allen Sachwerten zur Spielwiese für Streitlustige. Was ist eine Immobilie wert? Dieses Jahr mehr als letztes Jahr? Weniger als vor zehn Jahren? Was sind selbstgemalte Bilder wert? Die Oldtimer-Sammlung? Und wer ist überhaupt verpflichtet, den Wert festzustellen und im Zweifelsfall den Sachverständigen zu bezahlen?

 

Sie ahnen also, was kommen wird: Das Nachlassverzeichnis wird zu Anwalts Liebling werden. Ein Grund mehr, über die Bestimmung eines Testamentsvollstreckers nachzudenken.